In Europa hat die Geschlechtskrankheit in den letzten Jahren wieder einen Rekordwert erreicht. Auch Deutschland nimmt die Ausbreitung der Syphilis laut den Behörden weiter zu.
Lange konnte die Syphilis zurück gedrängt werden, doch seit einigen Jahren mehren sich die Infektionen mit der Geschlechtskrankheit, die auch "Liebesseuche" oder medizinisch "Lues venerea" genannt wird. Aktuelle Zahlen des Europäischen Zentrums für Krankheitsprävention und -kontrolle in Stockholm (ECDC) geben zu Denken. Woran liegt es, dass die Syphilis die Menschen immer wieder, und sogar vermehrt, heimsucht? Wie steckt man sich an, wie kann man die Krankheit behandeln und was kann man zur Vorbeugung tun?
Die Tabu-Krankheit im Faktencheck
Syphilis ist eine Geschlechtskrankheit, welche durch Haut- oder Schleimhautkontakt übertragen wird.
Auslöser ist das Bakterium "Treponema pallidum". Die Übertragung erfolgt meist beim ungeschützten Geschlechtsverkehr.
Männer im Alter von 25 bis 34 Jahren infizieren sich im Verhältnis zu Frauen und anderen Altersgruppen besonders häufig mit der sexuell übertragbaren Krankheit. (Quelle: ECDC)
Mit der Verwendung von Kondomen lässt sich das Risiko einer Ansteckung deutlich reduzieren. Bei wechselnden Sexualpartnern ist dies umso wichtiger. Ausschließen lässt sich das Risiko einer Infektion aber auch durch die Benutzung eines Präservativs nicht. Auch beim Küssen kann zum Beispiel eine Übertragung der Bakterien durch ein Geschwür im Mundraum erfolgen.
Betroffene sollten ihren Partner unbedingt über ihre Erkrankung informieren, damit diese sich testen lassen und gegebenenfalls mitbehandelt werden.
Drei bis vier Wochen nach der Ansteckung erscheint an der Eintrittsstelle des Erregers ein schmerzloses Geschwür. Das Geschwür ist gerötet und sondert eine farblose Flüssigkeit ab, die äußerst ansteckend ist. Die Geschwüre heilen von selbst nach einigen Wochen wieder ab. Etwa acht Wochen nach der Ansteckung kommt es dann zu grippeähnlichen Beschwerden wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und einer Schwellung der Lymphknoten. Meist erscheint nach etwa zehn Wochen ein Hautausschlag, welcher ebenfalls ansteckend ist. Auch dieser Ausschlag klingt unbehandelt wieder ab, so dass es durchaus vorkommt, dass die Krankheit unbemerkt bleibt.
Wird die Syphilis nicht erkannt und bleibt sie damit unbehandelt, können sich die Erreger im ganzen Körper ausbreiten. Nach etwa fünf Jahren kann es zu Veränderungen an Haut, Schleimhaut und Organen kommen. Ohne Therapie manifestiert sich die Krankheit nach zehn bis 20 Jahren bei bis zu zehn Prozent der Betroffenen im Gehirn und Rückenmark und führt zu schweren neurologischen Störungen. Ein Viertel der unbehandelten Patienten erkrankt an einer chronischen Hirnentzündung, die zu einer Demenz führt. Das Endstadium tritt in Industrienationen nur noch selten auf. Hierbei sind das Gehen und die Kontrolle über Blase und Darm gestört. Außerdem sind die Betroffenen im weiteren Verlauf gelähmt oder sterben sogar.
Im Falle eines verdächtigen Geschwürs wird zunächst ein Gespräch über die Krankengeschichte und die Sexualkontakte geführt. Dann erfolgt eine Untersuchung des Intimbereichs – auch im Hinblick auf andere Geschlechtskrankheiten, die oft in Kombination mit Syphilis auftreten. Das Bakterium kann mit einem Abstrich von Geschwür oder Ausschlag und in einer Blutprobe nachgewiesen werden. Schwangere werden routinemäßig auf Syphilis untersucht. Im Falle, dass eine Syphilis festgestellt wird, sollten alle Personen, mit denen man sexuellen Kontakt hatte, informiert werden.
Das Heilmittel zur Behandlung der Syphilis ist Penicillin. Dabei ist es meist ausreichend, wenn ein- oder zweimal ein länger wirkendes Penicillin gespritzt wird. Bei einer Spätsyphilis braucht man allerdings häufig mehr Injektionen mit deutlich höheren Dosierungen. Die Symptome einer Frühsyphilis verschwinden zwar im Prinzip auch ohne Behandlung, die Therapie mit Antibiotika ist aber nötig, um einen Übergang in die Spätsyphilis und eine Infektion anderer Personen zu verhindern.
Während der Behandlung sollte der Patient auf Geschlechtsverkehr verzichten.
Nach Behandlungsende sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen wichtig. Die Spätsyphilis mit neurologischen Symptomen und dem Befall innerer Organe ist oft mit einer schlechteren Prognose verknüpft.
Die Syphilis expandiert seit den 90er-Jahren
Abbildung einer männlichen Syphilis-Infektion
Quelle: imago / Science Photo Library
In Deutschland und in den meisten anderen Industrienationen war die Syphilis seit Ende der 1970er-Jahre relativ selten. Vor allem in den 1980er-Jahren war die bakterielle Infektion mit der Ausbreitung von HIV/Aids und Safer Sex zurückgedrängt worden. Seit Ende der 90er-Jahre geht der Trend aber wieder in die umgekehrte Richtung. Durch die zunehmende Sorglosigkeit beim Geschlechtsverkehr ist die Zahl der Infizierten in Deutschland seitdem dramatisch angestiegen. 2001 wurde die Syphilis meldepflichtig. Im Jahr 2004 wurden pro 100.000 Einwohner 4,1 Neuinfektionen gemeldet.
Seitdem stieg die Zahl der an Syphilis Erkrankten in Deutschland und Europa kontinuierlich an. Von 2007 bis 2017 gab es in Deutschland eine starke Zunahme der jährlichen Erkrankungen von 4 auf 9,1 Fälle pro 100.000 Bundesbürger, verglichen mit einer gesamteuropäischen Rate von 7,1 pro 100.000. Das entspricht 7473 Infektionen im Bundesgebiet. Damit zählte Deutschland neben Island, Irland, Großbritannien und Malta zu den fünf Ländern, in denen sich die Rate seit 2010 mehr als verdoppelt hat.
Die Syphilis hat Hochkonjunktur
Bereits Ende 2018 hatte das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin gemeldet, dass sich der Anstieg bei der Zahl der Syphilis-Infektionen in Deutschland fortsetze. Insbesondere in Berlin und Hamburg erkrankten laut einem RKI-Bericht im Verhältnis zur Einwohnerzahl überdurchschnittlich viele Menschen.
Das ECDC in Stockholm meldet nun eine für Europa gemessene Rekordzahl von über 33.000 bestätigten Infektionen.
Experten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer noch sehr viel höher liegt, da Geschlechtskrankheiten wie Syphilis aus Scham oft verheimlicht werden. Vor allem in Großstädten wird ein hoher Anteil an Neuerkrankungen beobachtet.