Wütende Mitte – vergisst die Ampel die Fleißigen?
"maybrit illner" mit dem Thema „Wütende Mitte – vergisst die Ampel die Fleißigen?" vom 25. Januar 2024, um 22:15 Uhr im ZDF.
Jetzt also das Kindergeld. Der Ampel-Streit geht weiter - auch im dritten Regierungsjahr sind Ruhe und Verlässlichkeit Fehlanzeige. Für den Bundesfinanzminister ist nur eines wichtig: Keine neuen Schulden, keine höheren Steuern. Dafür erhöht die Regierung aber Energiepreise, Krankenkassengebühren, Netzgebühren, die Mehrwertsteuer für Gastronomie und denkt über eine Tierwohlabgabe nach. Das Leben wird also immer teurer und die Kaufkraft schwindet. So reich Deutschland sein mag - seine Bürger werden ärmer und wütender.
Wie hoch werden die Belastungen noch steigen? Wie lange können Unternehmen und Bürger das noch aushalten? Kommt das Klimageld? Wie lange kann die Ampel noch regieren mit immer weniger Geld und Vertrauen?
Zu Gast bei Maybrit Illner sind Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), Manuela Schwesig, SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, die IG Metall-Vorsitzende Christiane Benner, die "Wirtschaftsweise" Veronika Grimm sowie Innungsbäckermeister Tobias Exner aus Brandenburg.
"maybrit illner" mit dem Thema "Wütende Mitte - vergisst die Ampel die Fleißigen?" am Donnerstag, 25. Januar 2024, um 22:15 Uhr im ZDF.
Fakten-Box | 25. Januar 2024
Unter hohem Spardruck und nach wochenlangem Ringen hat die Ampel-Koalition den Bundeshaushalt für das laufende Jahr auf den Weg gebracht. Der Haushaltsausschuss des Bundestags beschloss vergangene Woche einen Etat mit Ausgaben von 476,8 Milliarden Euro und neuen Krediten in Höhe von rund 39 Milliarden. Die Schuldenbremse soll damit nach jahrelangen Ausnahmen wieder voll greifen. Investitionen sind mit rund 70,5 Milliarden Euro ausgewiesen.
Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dennis Rohde, erklärte: „Wir haben im Haushaltsausschuss einen verfassungskonformen Haushalt beschlossen“. An vielen Stellen habe man neu priorisieren und umschichten müssen. Der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler sprach von „schmerzhaften Einsparungen“. Einige zunächst angedachte Kürzungen fallen allerdings kleiner aus, oder es wurde ganz darauf verzichtet.
Dass der Bundeshaushalt für das laufende Jahr nicht schon längst beschlossen war, liegt an einem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts Mitte November. Die Folge: Im Haushalt sowie im Fonds für Investitionen in Klimaschutz und den Umbau der Wirtschaft fehlten Milliarden für bereits verplante Ausgaben.
Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP trafen heftig umstrittene Sparentscheidungen. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich auf teurere Flüge und höhere Preise beim Tanken und Heizen einstellen. Die Ticketsteuer für Passagierflüge sowie der CO2-Preis auf Heizöl, Gas und Sprit sollen steigen und mehr Geld in die Staatskasse bringen.
Wegen der geplanten schrittweisen Abschaffung von Steuerentlastungen beim Agrardiesel gehen bundesweit seit Wochen Landwirte auf die Straßen. Trotz der Proteste rückte die Ampel-Koalition von diesen Plänen nicht mehr ab. Auf noch weiter gehende Pläne hatte sie allerdings schnell wieder verzichtet.
Neu vereinbart wurde ein Förderprogramm für den Bausektor mit einem Volumen von einer Milliarde Euro, das den Bau kleiner und bezahlbarer Wohnungen unterstützen soll, wie sie etwa Alleinerziehende und Senioren benötigen. Das Programm ist bis 2034 gestreckt.
Der Bundesagentur für Arbeit bleibt es erspart, in diesem Jahr einen Zuschuss an den Bundeshaushalt in Höhe von 1,5 Milliarden Euro zu leisten. Grund sei ein besserer Jahresabschluss im Bundesetat 2023, der finanziellen Spielraum schaffe, sagten Ampel-Politiker. Es bleibt aber bei der vom Kabinett beschlossenen Kürzung des Bundeszuschusses an die Rentenversicherung für 2024 bis 2027 um jeweils 600 Millionen Euro. Der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke betonte allerdings: „Es wird keine einzige Rente durch diesen Haushalt gekürzt.“
Der Ukraine-Krieg bleibt auch für den Haushalt ein großer Unsicherheitsfaktor. Was passiert, wenn Deutschland seine Hilfe für die Ukraine nochmals stark erhöhen muss – weil die Entwicklung an der Front oder der Rückzug anderer Staaten aus der Unterstützerallianz dies erfordern? Die Ampel-Koalition behält sich vor, dann doch eine „außergewöhnliche Notsituation“ geltend zu machen und die Schuldenbremse auszusetzen.
Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Christian Haase, verlangte einen „komplett neuen Haushalt“. Denn: „Das, was wir hier sehen, ist eine Reparatur der Reparatur der Reparatur.“ Ein neuer Haushalt müsse Prioritäten bei der inneren und äußeren Sicherheit sowie bei der Stimulierung der Wirtschaft setzen.
Die Linken-Vorsitzende Janine Wissler bemängelte: „Es ist ein unsozialer und ungerechter Kürzungshaushalt ohne Weitsicht.“ Wissler nannte unter anderem Sanktionen für Bezieher von Grundsicherung, bemängelte das Fehlen eines Klimageldes als Ausgleich für den höheren CO2-Preis und beklagte Kürzungen bei der humanitären Hilfe.
Der AfD-Haushaltspolitiker Peter Boehringer vertrat die Auffassung, dass die Neuverschuldung nicht bei 39, sondern bei 77 Milliarden Euro liege. Das Gesamtvolumen des Etats betrage nicht 476 Milliarden Euro, sondern mindestens 540 Milliarden. Der Haushalt verstoße damit gegen die Verfassung.
Der Etatentwurf geht nun in die parlamentarische Beratung. Bundestag und Bundesrat sollen Anfang Februar endgültig darüber entscheiden.
Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna
In den vergangenen Tagen hatte es koalitionsintern Streit um die staatliche Unterstützung von Familien mit Kindern gegeben. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) plant, den steuerlichen Kinderfreibetrag anzuheben, nicht aber das Kindergeld. SPD-Chef Lars Klingbeil hält dies für ungerecht, weil dann nur Familien mit sehr hohen Einkommen entlastet würden. Für Familien mit niedrigeren Einkommen ist dagegen das Kindergeld ausschlaggebend, vom Kinderfreibetrag profitieren sie nicht.
Eltern bekommen entweder Kindergeld oder die Freibeträge für Kinder. Das Finanzamt prüft bei der Steuererklärung, was im Einzelfall vorteilhafter ist. Der Freibetrag lohnt sich oft nur bei höheren Einkommen. Der Freibetrag wurde zum 1. Januar bereits von 6.024 Euro auf 6.384 angehoben und soll nach den Plänen des Finanzministeriums rückwirkend auf 6.612 Euro steigen.
Das Kindergeld war im Jahr 2023 auf einheitlich 250 Euro pro Monat und Kind gestiegen. Im vergangenen Jahr zahlte der Staat rund 50 Milliarden Euro für Kindergeld.
„Unsere Haltung ist, dass wenn man die Kinderfreibeträge erhöht, das Kindergeld mit erhöht werden sollte”, forderte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. „Das betrifft 67 Prozent der Kinder.” Aufgabe des Finanzministers sei es, auf den Haushalt zu schauen. „Dazwischen liegt der Kompromiss, und am Ende werden wir einen finden, und den werden wir dann auch gemeinsam vertreten.”
Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hält es für richtig, zunächst nur den Kinderfreibetrag anzuheben. „Ohne regelmäßige Erhöhungen werden sowohl das Kindergeld als auch der Kinderfreibetrag von der Inflation entwertet. Daher sei es richtig, dass die Politik beide Größen regelmäßig anpasst”, sagte IW-Steuerexperte Tobias Hentze der „Rheinischen Post“.
Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, betonte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Jedes Kind muss dem Staat gleich viel wert sein. Darum müssen perspektivisch Kindergeld und Kinderfreibetrag einander angepasst werden.”
„Eine Erhöhung des Kinderfreibetrags führt dazu, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergeht”, erklärte die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele. Eltern mit hohem Einkommen würden am meisten von den Freibeträgen profitieren. „Sollte der Freibetrag steigen, müsste also auch das Kindergeld steigen”, so Bentele.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit wies darauf hin, dass mit der Kindergrundsicherung, die ab 2025 gelten soll, der Mechanismus von Kinderfreibetrag und Kindergeld gekoppeltwerde. „Insofern ist dann diese Diskussion hoffentlich auch erledigt.” Die geplante Kindergrundsicherung soll bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder den Kinderzuschlag bündeln.
Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna
Der Vorschlag einer Tierwohlabgabe in Form einer Art Verbrauchssteuer auf Fleisch und andere tierische Produkte ist schon ein paar Jahre alt, wurde aber bislang nicht umgesetzt. Nun will Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) als Konsequenz aus den Bauernprotesten die Gunst der Stunde nutzen. Ein lange diskutierter „Tierwohlcent“ müsse jetzt kommen, sagte Özdemir. In der Ampel-Koalition hatte die FDP bisher beharrlich Einwände dagegen geltend gemacht. Nun signalisierte sie angesichts der Bauernproteste aber Offenheit.
Die Tierwohlabgabe geht auf das noch unter der großen Koalition eingerichtete „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“ zurück, die sogenannte Borchert-Kommission. Die Vertreterinnen und Vertreter aus Landwirtschaft, Umwelt- und Tierschutz, Wissenschaft und Wirtschaft empfahlen Anfang 2020 tiefgreifende Veränderungen für Verbesserungen in der Nutztierhaltung – etwa durch den Umbau von Ställen mit mehr Platz und Kontakt zum Außenklima oder Auslauf.
Konkret hatte die Borchert-Kommission einen schrittweise steigenden Finanzierungsbedarf ermittelt – bis auf jährlich 3,6 Milliarden Euro im Jahr 2040 für den Umbau der gesamten Tierhaltung. Um das Geld zu beschaffen, wäre eine mengenbezogene Abgabe auf tierische Produkte „die bestgeeignete Lösung“. Als Orientierung nannte das Gremium mögliche Preisaufschläge für Supermarktkunden. Denkbar wären etwa 40 Cent je Kilo Fleisch und Wurst, 2 Cent pro Kilo für Milch, Milchprodukte und Eier sowie 15 Cent pro Kilo für Käse und Butter. Özdemir machte deutlich, dass es bei Preisaufschlägen um „deutlich geringere Summen“ gehen dürfte, wie er im TV-Sender „Welt“ sagte. Denn die Tierwohlabgabe sei von der Kommission für alle Tierarten und alle Vertriebswege berechnet worden.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte, wenn man die Probleme nicht über Änderungen im System der Mehrwertsteuer angehen wolle, sei ein „Tierwohlcent“ die sinnvollste Möglichkeit, notwendige Investitionen jetzt zur Verfügung zu stellen. Lemke, die auch Verbraucherschutzministerin ist, sagte: „Was die Menschen nicht wollen, ist, dass sie mehr bezahlen müssen für ein Schnitzel, was unter keinen guten Bedingungen produziert worden ist. Aber wenn es besser für die Tiere geht, dann ist eine große Bereitschaft da, ein bisschen Preisaufschlag in Kauf zu nehmen.“
Die stellvertretende FDP-Fraktionschefin Carina Konrad zeigte sich offen für die Tierwohlabgabe. „Ich wäre die letzte, die dagegen ankämpfen würde, wenn sich das rechtssicher umsetzen lässt.“ FDP-Parteivorsitzender und Bundesfinanzminister Christian Lindner hingegen äußerte sich zurückhaltender: die FDP sei offen für eine von den Marktteilnehmern getragene Abgabe für den Stallumbau. „Aber das Modell muss stimmen. Außerdem wollen wir aber nicht dazu beitragen, dass das tägliche Leben für die Bürgerinnen und Bürger immer teurer wird.“ Zudem sei eine Tierwohlabgabe „sicherlich nicht die alleinige Lösung für den Agrarsektor, denn nicht alle Landwirte sind Tierhalter“.
Özdemir sagte, sein Haus und das Finanzministerium könnten ein Modell für einen „Tierwohlcent“ relativ schnell aufschreiben. Dazu brauche es aber jetzt „ein klares Bekenntnis“ der gesamten Ampel und auch die Unterstützung der Opposition. „Wer sich da vom Acker macht, zeigt der Landwirtschaft die rote Karte.“
Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna
„Das Bürgergeld ist die größte Sozialreform seit Jahrzehnten“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vor einem Jahr. Zwölf Monate und eine Haushaltskrise später steht das Bürgergeld unter Beschuss von Kritikern – und der Arbeitsminister selbst fordert Verschärfungen.
So sollen Jobcenter künftig Arbeitslosen das Bürgergeld für maximal zwei Monate komplett streichen können, wenn die Betroffenen eine Arbeitsaufnahme nachhaltig verweigern. Diese Sanktion soll allerdings nur für zwei Jahre gelten. Die Ampel-Fraktionen verankerten in der sogenannten Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses eine entsprechende Änderung, wonach die Sanktionsverschärfung zwei Jahre nach der Verkündung des Gesetzes aufgehoben wird.
Die geplante Regelung zum Bürgergeld soll Einsparungen von rund 170 Millionen Euro pro Jahr bringen – 150 Millionen beim Bund und 20 Millionen bei den Kommunen. Kosten der Unterkunft und Heizung sollen nicht gestrichen werden können. Zudem soll der Bürgergeldbonus von 75 Euro pro Monat wieder abgeschafft werden. Dies soll Einsparungen von 100 Millionen Euro bringen. Weiterbildungen für einen Abschluss werden weiter mit monatlich 150 Euro unterstützt. Für bestandene Prüfungen sollen weiterhin Prämien fließen.
Die Union trommelt bereits seit Monaten gegen die Grundsicherung in geltender Fassung. So kündigte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann an, seine Partei werde das Bürgergeld in jetziger Form abschaffen. Denn der Hartz-IV-Nachfolger öffne eine „Gerechtigkeitslücke“: Es gebe Fälle, in denen Arbeitnehmer am Monatsende weniger Geld hätten als Bürgergeldempfänger. CSU-Chef Markus Söder erklärte: „Wer arbeitet, muss erkennbar mehr bekommen als jemand, der nicht arbeitet.“
Forscher geben der Opposition teils recht bei ihrer Kritik. Der Arbeitsmarktexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft IW, Holger Schäfer, erläutert: In der Summe habe ein Erwerbstätiger zwar immer mehr Geld zur Verfügung als ein Bürgergeld-Empfänger, der nicht arbeitet. „Das heißt aber nicht unbedingt, dass sich arbeiten für jeden auch lohnt.“
Die Reformpläne von Arbeitsminister Heil zum Bürgergeld für Jobverweigerer sind umstritten. Der sozialpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Martin Rosemann, betonte, es gehe um eine wirklich sehr kleine Zahl von Menschen, die sich konsequent allen Angeboten verweigerten. „Und genau an dieser Stelle ist es dann vertretbar, die Sanktionsmöglichkeiten zu verschärfen. Die Jugendorganisationen von SPD und Grünen hingegen kritisieren die geplanten Bürgergeld-Kürzungen. „Dass in der aktuellen Lage, in der ohnehin die meisten Menschen Abstiegserfahrungen machen, ständig die Ärmsten gegeneinander ausgespielt werden, ist ein unehrliches Spiel“, zitiert das Nachrichtenportal t-online aus einem gemeinsamen Papier von Jusos und Grüner Jugend.
Zustimmung bekam Heil dagegen von der Union. „Das Bürgergeld ist das soziale Netz in unserem Land, aber Solidarität darf eben keine Einbahnstraße sein“, sagte der Bundestagsabgeordnete Marc Biadacz. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte die komplette Abschaffung des Bürgergelds. „Mit dem Bürgergeld belohnt die Ampel die Faulen, aber vor allem treibt sie diejenigen, die rechnen können, in die Sozialhilfe“, sagte Dobrindt.
Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna
Haushaltskunden und Wirtschaft beklagen hohe Energiekosten in Deutschland. Zu Beginn dieses Jahres haben sich die Kosten nochmal erhöht. Grund dafür sind das Auslaufen der sogenannten Energiepreisbremsen für Gas und Strom, die ab einer bestimmten Höhe den Preis für einen Großteil des Verbrauchs deckelten, sowie der deutliche Anstieg bei den Netzentgelten.
Gas- und Heizölkunden sowie Autofahrer bezahlen zudem eine erhöhte CO2-Preis-Abgabe. Der CO2-Preis war Anfang des Jahres von 30 auf 45 Euro pro Tonne angehoben worden.
Für einen gewissen Ausgleich sorgen gesunkene Großhandelspreise für Strom und Gas. Viele Energieversorger hatten deshalb zum Jahreswechsel die Preise gesenkt. Marktbeobachter rechnen mit einer Konsolidierung der Börsenpreise: „Die Strompreisnotierungen für die Lieferung in den kommenden Monaten und für das Gesamtjahr 2024 liegen momentan konstant unter 100 Euro je Megawattstunde.“ Solch ein Preisniveau habe es am Terminmarkt zuletzt vor über zwei Jahren gegeben. Unsicherheiten blieben allerdings. So ließen sich kaum genaue Einspeisevorhersagen für Erneuerbare treffen. Auch sei der Krisenmodus im Gasmarkt noch längst nicht überwunden.
Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, machte den Kunden keine Hoffnung: „Die Zeit der billigen Energie ist vorbei; jedenfalls solange wir noch große Mengen konventionell erzeugter Energie verbrauchen“, sagte Müller der „Rheinischen Post“ vor Jahreswechsel. Das Preisniveau sei höher als vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs und daran werde sich „so schnell nichts ändern“.
Hinzukommen höhere Netzentgelte ab diesem Jahr. Netzentgelte sind eine Art Gebühr für die Nutzung des Leitungs- und Stromversorgungsnetzwerks, die vom örtlichen Stromnetzbetreiber erhoben wird. Durch das Netzentgelt werden der Betrieb und der Ausbau der Netze finanziert.
Die vier Übertragungsnetzbetreiber Amprion, Tennet, Transnet und 50Hertz hatten Mitte Dezember mitgeteilt, dass die Netzentgelte von 3,12 Cent pro Kilowattstunde auf 6,43 Cent steigen werden. Grund dafür ist, dass die Bundesregierung einen zunächst zugesagten Zuschuss von 5,5 Milliarden Euro wegen der angespannten Haushaltslage gestrichen hat.
Behördenchef Müller sagte, dass diese Kosten früher oder später bei allen Verbrauchern ankommen würden. Ein durchschnittlicher Familienhaushalt mit einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden im Jahr müsse für Netzentgelt mit Mehrkosten von rund 120 Euro im Jahr rechnen.
Vereinzelte Hoffnungen auf eine Entlastung bei den Strompreisen durch eine Wiederbelebung der Atomkraft, erteilte der Vorstandsvorsitzende des Energiekonzerns Eon, Leohard Birnbaum, eine Absage. „Das ist mittlerweile auch technisch nicht mehr möglich, in Deutschland ist die Messe für die Atomkraft gelesen.“
Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna
Das sogenannte „Klimageld“ hatte die Ampel-Koalition 2021 als „sozialen Kompensationsmechanismus” in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt. Es sollte künftige Preisanstiege bei Energie abfedern und die Akzeptanz der CO2-Bepreisung gewährleisten.
Die Idee des Mechanismus: Der Staat verteuert den Ausstoß von klimaschädlichem CO2 und gibt die Einnahmen in Form eines einheitlichen Betrags pro Person an die Bürger zurück. Ein konkreter Zeitplan für die Einführung der Ausgleichszahlungen war im Koalitionsvertrag nicht genannt worden. Es hieß lediglich, man werden den Mechanismus „entwickeln“.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) teilte nun mit, dass die technischen Möglichkeiten für die Auszahlung des Klimageldes erst 2025 geschaffen würden und eine Einführung des Klimageldes erst nach der nächsten Bundestagswahl möglich sein werde. „Das Klimageld bleibt im Plan. In dieser Legislaturperiode wird wie angekündigt eine Struktur für die Auszahlung geschaffen“, sagte Lindner dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „In der Zeit danach werden Entscheidungen über die Ausgestaltung getroffen.“
FDP-intern erhält der Finanzminister Widerspruch. FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler erklärte gegenüber dem Deutschlandfunk, dass eine Auszahlung des Klimageldes bereits Anfang 2025 technisch möglich sei. „Dazu muss man aber das Geld finden und das kann nur aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen“, fügte Köhler hinzu.
Lindner wies gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ daraufhin, dass die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung bereits für die Förderung von Heizungen, Gebäudesanierung, grüne Stahlproduktion sowie Ladesäulen für E-Autos genutzt würden. Man könne das Geld nicht zweimal ausgeben. „Das Klimageld würde also die Förderungen, die wir jetzt haben, ersetzen“, so Lindner.
Seit der Ankündigung des Finanzministers, dass sich die Einführung des Klimageldes verzögern wird, steht die Bundesregierung unter Druck, einen finanziellen Ausgleich für die CO2-Bepreisung zu liefern. Umwelt- und Sozialverbände hatten Lindner in einem offenen Brief dazu aufgefordert, das Klimageld noch in diesem Jahr auszuzahlen. „Das Klimageld war als sozialer Ausgleich für Mehrbelastungen und als Anreiz für klimaschonendes Verhalten im Koalitionsvertrag vereinbart worden”, sagt Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands. So ein Ausgleich dürfe „nicht auf die lange Bank geschoben werden.”
Auch Lindners Koalitionspartner Grüne und Teile der SPD drängen seit Wochen auf die Ausgleichszahlungen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hatte als Alternative mögliche steuerliche Rabatte oder eine Fernpendlerpauschale ins Spiel gebracht. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, hatte gesagt, ihre Fraktion habe „überhaupt kein Verständnis“ für eine Verschiebung des Klimagelds auf die kommende Legislaturperiode.
Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna
Die Proteste in Deutschland gehen weit über den Bauernstand hinaus. Gastronomen beklagen die Rückkehr von sieben auf 19 Prozent Mehrwertsteuer, Ärztinnen und Ärzte demonstrieren mit Praxisschließungen gegen Vergütungsmethoden, und Spediteure protestieren gegen Maut-Erhöhung und CO2-Bepreisung.
Die Protestierenden verweisen auf Kostensteigerungen allenthalben. Was der Staat nicht entlastet – Beispiel Netzentgelte – oder liefert – Beispiel Klimageld –, belastet am Ende die Verbraucherinnen und Verbraucher.
Alle Interessen und Forderungen zu bedienen, kann der Bundeshaushalt nicht leisten. Milliardenkredite könnten es, aber das Aussetzen der gesetzlichen Schuldenbremse ist umstritten. Deutschland spare sich kaputt, beklagen Ökonomen, während andere Länder investieren. Die Schuldenquote, also der Anteil der Schulden am Bruttoinlandsprodukt, lag in Deutschland Ende 2022 bei rund 66 Prozent. Es ist die niedrigste Schuldenquote unter den G7-Staaten.
Als Europas größte Volkswirtschaft ist Deutschland ein reiches Land, aber im Vergleich mit anderen Nationen sind die Deutschen weniger vermögend. Zu diesem Befund kommt eine Berechnung der Europäischen Zentralbank über das sogenannte Median-Vermögen, in der Deutschland nur auf Platz 15 liegt.
Die Rheinische Post analysiert: „Viel Vermögen in Europa liegt in Immobilien, und in einem Land, in dem der Anteil der Eigenheimbesitzer deutlich kleiner ist als in anderen Nationen, führt das eben auch zu einem schlechteren Rang in der Vermögensverteilung.“
Da hilft es den Deutschen nicht, dass sie im Vergleich mit anderen Bürgern des Euroraums deutlich höhere Einkommen haben. Beispiel Slowakei: Das Median-Einkommen beträgt dort 8.703 Euro, in Deutschland liegt es bei 26.555 Euro. Aber nirgendwo in Europa ist der Anteil der Wohneigentümer so niedrig wie in Deutschland. Die Hälfte der Deutschen (50,5%) lebt zur Miete, in Frankreich 35,3%, in Spanien nur 23%.
In der Tabelle der Median-Vermögen rangieren die beiden Mittelmeerländer auf den Plätzen 7 und 8: Spanier mit einem Median-Vermögen von 197.000 Euro und Franzosen mit 185.000 Euro. Slowaken besitzen im Mittel immerhin ein Vermögen von 116.000 Euro, Deutsche nur 106.000 Euro. Steigen die Immobilienpreise, dann steigt auch das eigene Vermögen mit Immobilie. Besitzt man keine Immobilie, fällt man in diesem Ranking zurück.
An der Spitze im Euroraum liegen Luxemburger mit einem Median-Vermögen von 739.000 Euro und Malteser auf Platz 2 mit 333.000 Euro. Schlusslicht ist Lettland mit 37.000 Euro.
Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna
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