Wirtschaft vor dem Absturz – Ampel ohne Kurs?
"maybrit illner" mit dem Thema „Wirtschaft vor dem Absturz – Ampel ohne Kurs?" vom 22. Februar 2024, um 22:15 Uhr im ZDF.
Die deutschen Wirtschaftsverbände schreiben Brandbriefe an die Regierung. Hilfeschreie auf dem Weg bergab. Die Insolvenzen nehmen zu, und für 2024 die bittere Prognose: Nur noch 0,2 Prozent Wachstum. Das ist "dramatisch" oder gar "peinlich", - da sind sich Wirtschafts- und Finanzminister sogar einig! Nur was zu tun ist und mit welchem Geld, darüber geht der Streit zwischen Grün und Gelb immer weiter. Mehrausgaben für Bundeswehr, Ukraine-Hilfe und Klimaschutz sind zu bedienen- die Finanzierung "irgendwie schwierig", wie der Kanzler sagt. Also doch mehr Schulden oder noch mehr Kürzungen, auch beim Sozialen? Kann die Ampel darüber zerbrechen?
Bei Maybrit Illner diskutieren Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Grünen-Chefin Ricarda Lang sowie VDMA-Vize Bertram Kawlath und der Präsident des Münchner ifo Institut, Clemens Fuest.
"maybrit illner" mit dem Thema "Wirtschaft vor dem Absturz – Ampel ohne Kurs?" am Donnerstag, 22. Februar 2024, um 22:15 Uhr im ZDF.
Fakten-Box | 22. Februar 2024
Die Prognose für die deutsche Wirtschaft ist laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) „dramatisch schlecht”. Während die Regierung im Herbst 2023 noch mit einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 1,3 Prozent gerechnet hatte, fällt die Vorhersage im Jahreswirtschaftsbericht für dieses Jahr auf 0,2 Prozent. Auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) zeichnet ein düsteres Bild: Die Wirtschaftsentwicklung sei „peinlich und in sozialer Hinsicht gefährlich.“
Was den Ausschlag zum Pessimismus gibt, ist der Vergleich mit anderen Ländern: In der neuesten Wachstumsprognose der EU-Kommission liegt Deutschland am Ende der Länderliste, nur Schweden ist noch schlechter. Einige Konjunkturforscher befürchten für das laufende Jahr einen weiteren Rückgang des Bruttoinlandsprodukts. Zwei Jahre mit einem Minus hintereinander – das gab es in der Geschichte der Bundesrepublik erst einmal, in den Jahren 2002 und 2003.
Trotzdem sieht die Bundesbank keine Anzeichen für eine Dauerrezession: „Die seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine andauernde Schwächephase der deutschen Wirtschaft würde sich damit zwar fortsetzen“, schrieb sie. „Eine Rezession im Sinne eines deutlichen, breit angelegten und länger anhaltenden Rückgangs der Wirtschaftsleistung kann aber weiterhin nicht festgestellt werden und ist derzeit auch nicht zu erwarten.“
Für die schlechte wirtschaftliche Lage gibt es mehrere Auslöser. Einer ist Russlands Überfall auf die Ukraine und die folgende Energiekrise. Vor allem in der Industrie herrscht Unsicherheit – sie kann nicht erkennen, wie eine bezahlbare Energieversorgung in Zukunft gesichert werden soll. Hinzu kommen die lange bekannten Schwächen: Hohe Bürokratielast, das hohe Niveau der Unternehmenssteuern sowie Rückstände beim Ausbau der digitalen und der Verkehrsinfrastruktur sowie der Fachkräftemangel. All das drückt die Stimmung und hemmt die Investitionsbereitschaft der Unternehmen.
Die düsteren Aussichten für die deutsche Wirtschaft führten in den vergangenen Wochen zu mehreren Brandbriefen: Einerseits hatten kürzlich 18 Wirtschaftsverbände an alle Ministerpräsidenten geschrieben und die schnellstmögliche Verabschiedung des Wachstumschancengesetzes gefordert. Sie fordern den Bundesrat auf, das Gesetz nicht weiter zu blockieren. Für die Unterzeichner des Brandbriefs, unter anderem den Taxi-Verband und den Bundesverband IT-Mittelstand, ist klar: „Es steht nichts weniger auf dem Spiel als die Rettung des deutschen Mittelstands.“
Auch mehr als 50 Einzelunternehmen, etwa der Industriekonzern Thyssenkrupp und der Sportartikelhersteller Puma, unterschrieben schon Ende Januar einen „Unternehmensappell” aus Sorge um die Wirtschaft, das Klima und die Demokratie. Sie forderten eine Lockerung der Schuldenbremse. Die unterzeichnenden Unternehmen bekennen sich zum klimaneutralen Umbau der Wirtschaft („Transformation“) und betonen dabei nicht die Risiken, sondern die Chancen.
Ein weiterer Brief richtete sich an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Von ihm forderten die Präsidenten der vier Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft Reformen für einen wirtschaftlichen Aufbruch in Deutschland. Konkret fordern die Verbände in ihrem Papier „Durchstarten für Deutschland” zum Beispiel schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, einen „Befreiungsschlag“ bei der Bürokratie, eine Steuerreform, ein „Stoppschild“ bei den Sozialversicherungsabgaben sowie Reformen bei der Rente.
Der Kanzler verglich die Forderungen mit einem „Blumenstrauß der Wünsche“. Auf einer Veranstaltung der deutschen Arbeitgeber rechnete Scholz vor: Die Regierung solle die Sicherheit der Energieversorgung garantieren, deutlich mehr in die Sicherheit und Verteidigung investieren, für die energieintensive Industrie – oder am besten gleich für alle Unternehmen – die Energiepreise subventionieren. Ferner solle die Regierung deutlich mehr Geld investieren in moderne Verkehrsinfrastruktur, in Digitalisierung und Bildung, die Steuern für die Unternehmen senken und bestehende Subventionen keinesfalls kürzen – zugunsten der Transformation sogar noch neue Subventionen bereitstellen. „Und, fast hätte ich es vergessen: Bei all dem sollen wir selbstverständlich stabile Staatsfinanzen garantieren und die Schuldenbremse einhalten.“ Alles zugleich gehe aber nicht, so Scholz.
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Die deutsche Wirtschaft sei in einem „schweren Fahrwasser“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch bei der Vorlage des Jahreswirtschaftsberichts. „Wir kommen langsamer aus der Krise als gehofft.“ Die Regierung erwartet für dieses Jahr nur noch ein Mini-Wachstum von 0,2 Prozent. Auch für die kommenden Jahre warnt die Regierung vor mageren Wachstumsaussichten.
Habeck sagte, zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine laste der Krieg weiter auf der deutschen Wirtschaft – auch wegen der früher starken Abhängigkeit von russischen Energielieferungen. Weitere Gründe für das schwache Wachstum: Der starken deutschen Exportwirtschaft macht eine schwache Weltkonjunktur zu schaffen. Die gestiegenen Zinsen hätten zudem zu weniger Investitionen geführt.
Immerhin, es gibt auch gute Nachrichten. Die Inflation sei gezähmt, so Habeck. Der Anstieg der Verbraucherpreise dürfte in diesem Jahr auf 2,8 Prozent fallen. In den vergangenen Jahren habe die Inflation Lohnsteigerungen aufgefressen. Die Lohnzuwächse lägen in diesem Jahr aber über der Inflationsrate. Die Erwartung ist, dass Beschäftigte das Geld auch ausgeben und damit den privaten Konsum ankurbeln.
Wirtschaftsverbände klagen darüber, dass Deutschlands Firmen international immer weniger wettbewerbsfähig seien – wegen einer im internationalen Vergleich hohen Steuerlast oder hoher Energiekosten. Habeck sprach von Problemen, die sich über viele Jahre angehäuft hätten. „Das größte strukturelle Problem ist die Lücke an Fachkräften und Arbeitskräften, es fehlt an allen Ecken und Kanten.“ Offiziell seien 700.000 offene Stellen in Deutschland gemeldet, die Dunkelziffer sei aber weitaus höher.
Deutschland könne sich keine anhaltende Wachstumsschwäche erlauben, heißt es im Jahreswirtschaftsbericht mit Blick auf den Wohlstand. Habeck will deshalb einen „Reformbooster“: „Wir müssen mehr tun.“ Sprich: schneller Bürokratie abbauen, den Fachkräftemangel effektiver bekämpfen. Man müsse sich dringend darüber unterhalten, warum es 2,6 Millionen junge Leute ohne Berufsabschluss gebe.
Im Bundestag forderte der Wirtschaftsminister die Union zu einem Ende der Blockade beim Wachstumspaket auf. „Hören Sie auf die Wirtschaftsverbände und geben Sie dem Wachstumschancengesetz endlich grünes Licht“, sagte Habeck bei einer Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht. Auch nach einer Sitzung des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag ist unklar, ob die Union dem Wachstumspaket am 22. März im Bundesrat zustimmt. (Siehe dazu nachfolgend das Stichwort „Wachstumschancengesetz“.)
In der Bundestagsdebatte hat CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt den Wirtschaftsminister für die trübe Lage der deutschen Wirtschaft verantwortlich gemacht. „Deutschland ist das absolute Schlusslicht in Europa, und dafür tragen Sie einen erheblichen Teil der Verantwortung, Herr Minister. Das ist auch kein Jahreswirtschaftsbericht, sondern das ist die wirtschaftspolitische Bankrotterklärung dieser Ampel-Regierung“, sagte Dobrindt.
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Im Streit zwischen Bund und Ländern über Steuererleichterungen für Unternehmen ist keine Einigung in Sicht. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat beschloss am Mittwochabend mit einfacher Mehrheit einen Kompromissvorschlag, der aber von der Union nicht mitgetragen wurde.
Weil die Union nicht zustimmte, kommt es nun am 22. März im Bundesrat zum Showdown. Dann wird erneut über das Wachstumschancengesetz abgestimmt. Für das umstrittene Gesetz von Bundesfinanzminister Christian Lindner ist die erforderliche Zustimmung nicht erkennbar. Zur Verabschiedung des Gesetzes ist die Ampel-Koalition in der Länderkammer auf Stimmen von Unions-geführten Ländern angewiesen. Die Union hatte ihre Zustimmung zuletzt aber davon abhängig gemacht, dass die Regierung geplante Kürzungen beim Agrar-Diesel zurücknimmt.
Die Ampel-Regierung habe zugesagt, mit der Landwirtschaft weitere Gespräche über Entlastungenzu führen, sagte Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig nach Ende der Beratungen in Berlin. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, er habe kein Vertrauen, dass die Ampel bis zum 22. März substanzielle Entlastungen für die Landwirtschaft vorlege.
Der Bundesrat hatte das Wachstumspaket mit dem Argument blockiert, Länder und Kommunen müssten einen Großteil der Kosten und Steuerausfälle schultern. In ersten Gesprächen strichen die Verhandlungspartner das Volumen der Entlastungen daraufhin bereits von einst geplanten sieben Milliarden Euro jährlich auf 3,2 Milliarden Euro zusammen. Übrig blieb im Grunde nur eine Light-Variante der ursprünglichen Pläne. Auch eine Prämie für Investitionen in den Klimaschutz wurde bereits gekippt, die ursprünglich als Kern des Gesetzes galt.
SPD-geführte Länder zeigten sich mit der abgespeckten Lösung zufrieden, die Union jedoch machte für ihre Zustimmung eine zusätzliche Bedingung: SPD, Grüne und FDP müssten auf die vom Bundestag bereits beschlossene Streichung der Steuervergünstigung beim Agrardiesel für Landwirte verzichten. Während Koalitionspolitiker kritisierten, die beiden Themen hätten nichts miteinander zu tun, argumentierten Unionspolitiker, beide Male gehe es um Lasten für die Wirtschaft.
Das Wachstumschancengesetz sieht eine Reihe von steuerlichen Erleichterungen für Firmen und eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren vor. Unter anderem sollen bessere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten den kriselnden Wohnungsbau ankurbeln. Zur Förderung von Investitionen soll eine sogenannte degressive Abschreibung eingeführt werden. Für kleine und mittlere Unternehmen soll die Sonderabschreibung substanziell verbessert werden. Forschung und Entwicklung von Unternehmen sollen ebenfalls stärker steuerlich gefördert werden.
Die Wirtschaft reagiert mit scharfer Kritik auf die erneute Vertagung steuerlicher Entlastungen für Unternehmen. „Das Ergebnis des Vermittlungsausschusses zum Wachstumschancengesetz ist ein katastrophales Signal für die deutsche Wirtschaft“, sagte der Präsident des Industrieverbandes BDI, Siegfried Russwurm, am Donnerstag. Die Hängepartie werde verlängert. Dabei sei das geplante Entlastungsvolumen mit jetzt nur noch 3,2 Milliarden Euro bereits mehr als halbiert worden und bleibe weit hinter den ursprünglichen Erwartungen der Betriebe zurück.
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Die Forderung nach Bürokratieabbau ist älter als viele LeserInnen dieser Zeilen. Die Aufgabe, noch besser: das Problem wird im Jahreswirtschaftsbericht 2024 der Bundesregierung mehrere Dutzend Mal erwähnt: „Der notwendige Wandel wird vielfach jedoch von einer zu hohen Regulierungsdichte und überbordende Bürokratie erschwert.“
Springen wir – willkürlich! – vierzig Jahre zurück und zitieren aus dem Jahreswirtschaftsbericht 1984: „Die Entlastung der Wirtschaft und Bürger von unnötigen, einengenden staatlichen Vorschriften ist nach Auffassung der Bundesregierung besonders wichtig, um die Wachstumschancen zu verbessern […]. Entbürokratisierung ist eine dauerhaft sich stellende Aufgabe der Exekutive.“
Als Bundeskanzler Helmut Schmidt im September 1982 im Bundestag seine letzte Rede zur Lage der Nation hielt, antwortete der Oppositionsführer Helmut Kohl: „Wir brauchen nicht mehr Bürokratie, sondern weniger.“ Die Bürokratie ist aber auch in den danach folgenden Jahren der Regierung Kohl nicht weniger geworden. Ein Jahr nach der Amtszeit Kohls forderte der Deutsche Industrie- und Handelstag, damals noch „DIHT“, auf seiner Vollversammlung 1999, die Unternehmen aus der „Zwangsjacke der Steuer-, Abgaben- und Bürokratielasten“ zu befreien.
Der DIHT-Präsident hieß damals Hans Peter Stihl. In dieser Woche hat das deutsche Traditionsunternehmen STIHL angekündigt, weitere Teile seiner Produktion möglicherweise in die Schweiz zu verlagern, dort könne günstiger produziert werden.
Stihls heutiger Nachfolger als Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft, DIHK-Präsident Peter Adrian, hat angesichts der lahmenden Konjunktur eine „Zeitenwende in der Wirtschaftspolitik“ gefordert. Es müssten Blockaden in Planungs- und Genehmigungsprozessen und Bürokratie abgebaut werden, sagte Adrian der „Rheinischen Post“. Sein Hauptgeschäftsführer, Martin Wansleben, forderte: „Das deutsche Lieferkettengesetz muss jetzt ausgesetzt werden.“
Das „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ (LkSG) ist das neueste Lieblingsbeispiel für Kritiker deutscher Bürokratie. Das Gesetz nimmt größere Betriebe (ab 1.000 Mitarbeitende) für Missstände in ihren Lieferketten in die Pflicht, etwa Menschenrechtsverstöße wie Kinderarbeit oder Verstöße gegen Umweltauflagen. Mittelständler beklagen, das könne bei zum Teil 100 oder mehr Zulieferern weltweit nicht mehr kontrolliert werden. Eine vergleichbare Regelung auf EU-Ebene wird von Deutschland blockiert, weil sich SPD, Grüne und FDP nicht einig sind.
In der Konjunkturumfrage des Mittelstandsverbundes von Anfang dieses Jahres landete die Forderung nach einem Abbau von Bürokratie und Berichtspflichten auf einer Prioritätenliste mit Abstand ganz oben: 92,6 Prozent der Teilnehmer aus 54 Verbundgruppen meinen, die Bundesregierung müsse vor allem dieses Thema angehen, um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hierzulande zu verbessern.
Innerhalb der Bundesregierung hatten Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Standort zuletzt als nicht mehr wettbewerbsfähig bezeichnet – allerdings sehr unterschiedliche Lösungen dafür angeboten. SPD-Politiker Scholz warnt dagegen immer wieder davor, eine Krise herbeizureden.
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„Ohne Sicherheit ist alles andere nichts“, betonte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf der Münchener Sicherheitskonferenz. Doch diese Sicherheit koste Geld und werde an anderer Stelle fehlen, bereitet der Kanzler seine Partei und die Koalitionspartner auf künftige Verteilungskämpfe vor.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte den Weg über eine Ausweitung des aktuellen Sondervermögens vorgeschlagen. „Investitionen in das Generationenprojekt der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion können nicht Ein-Jahres-Haushalten und der Schuldenbremse unterliegen“, fügte Baerbock in Anspielung auf die Beschränkungen für den Bundeshaushalt hinzu.
Beschränkt werden die Ausgabemöglichkeiten von Bund und Ländern unter anderem durch die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse. Artikel 115 des Grundgesetzes begrenzt die Verschuldung des Bundes, um nicht unbegrenzt Kredite aufzunehmen. Diese gesetzliche Vorgabe wird als „Schuldenbremse“ bezeichnet.
Sie hat das Ziel, die langfristige Funktionsfähigkeit der Haushalte zu gewährleisten. Zuerst gilt der Grundsatz, dass Bund und Länder einen ausgeglichenen Haushalt ohne „Einnahmen“ aus Krediten vorlegen müssen, damit künftige Generationen durch Schulden nicht belastet werden. Deshalb darf sich der Bund jedes Jahr maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) neu verschulden.
Es besteht aber die Möglichkeit, die Schuldenbremse unter Umständen auszusetzen. Voraussetzung laut Grundgesetz sind „außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“. Dafür muss der Gesetzgeber, das ist die Mehrheit des Deutschen Bundestages, für das Haushaltsjahr eine „Notlage“ feststellen.
SPD und Grüne wollen das Instrument reformieren, die FDP will das nicht. Der Streit innerhalb der Ampel wird seit dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom November vergangenen Jahres intensiv und öffentlich ausgetragen.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hatte die Ampel in eine Haushaltskrise gestürzt. Die Karlsruher Richter erklärten ein Gesetz aus dem Jahre 2021 für nichtig, mit dem die damals neugewählte Ampel-Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) 60 Milliarden Euro für den Klimaschutz ausgeben wollte, die eigentlich für die Bewältigung der Corona-Krise gebunden, aber nicht benötigt worden waren. Begründung der vorsitzenden Richterin: Milliardenkredite, die mit einer Notlage begründet werden, dürfen nicht in Folgejahren als Sondervermögen geführt werden.
Mit diesem Grundsatzurteil fehlte der Ampel plötzlich das Geld für wirtschafts- und sozialpolitische Vorhaben, die bereits zugesagt waren. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft haben gemeinsam von der Bundesregierung eine Absenkung der Abgabenlast gefordert: bei Lohnnebenkosten, bei Steuern und bei Energiekosten. Auch das würde Geld kosten.
Die SPD-Bundestagsfraktion lässt deshalb eine Reform der Schuldenbremse zugunsten von Investitionen ausarbeiten. Der SPD-Fraktionschef will bei allem Investitionsbedarf mögliche Kürzungen im Sozialsystem vermeiden. Auch die Grünen lehnten Einschnitte bei den Sozialleistungen ab. „Kürzungen im Sozialen gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt und sind ökonomisch schädlich“, sagte die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge.
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Trotz Sparhaushalt wird der Verteidigungsbereich 2024 von Haushaltskürzungen verschont bleiben. Im Verteidigungsetat sind in diesem Jahr Ausgaben in Höhe von 51,9 Milliarden Euro vorgesehen. Gegenüber 2023 ist das ein Plus von 1,8 Milliarden Euro. Hinzu kommen 19,8 Milliarden Euro aus dem „Sondervermögen“ Bundeswehr – ein mit insgesamt 100 Milliarden Euro ausgestatteter Sonderkredit, den Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem Einmarsch in die Ukraine angekündigt und den der Bundestag – auch mit den Stimmen der CDU/CSU-Opposition – im Grundgesetz verankert hatte.
Mit dem Haushalt 2024 wird Deutschland 2,1 Prozent seiner Wirtschaftsleistung in Verteidigung investieren und damit die entsprechende NATO-Vorgabe erfüllen. „Für das Jahr 2024 stehen nach jetziger Planung allein aus dem Einzelplan 14 und dem Sondervermögen Bundeswehr rund 72 Milliarden Euro für unsere Streitkräfte zur Verfügung“, versicherte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in seiner Haushaltsrede.
Seit 1992 liegt der Anteil des Militärbudgets am Bruttoinlandsprodukt (BIP) deutlich unter dem NATO-Kriterium von 2 Prozent. Trotz der Erhöhung des Verteidigungshaushalts lag er 2023 bei 1,57 Prozent des BIP. Für Deutschland bedeutet dies – grob gesagt –, dass absehbar jedes Jahr mehr als 20 Milliarden Euro zu dem rund 50 Milliarden Euro umfassenden Verteidigungshaushalt hinzukommen müssten, um die Selbstverpflichtung der NATO-Staaten zu erfüllen.
Pistorius erklärte, dass Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung „in den kommenden Jahren möglicherweise nicht ausreichen” würden. „Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif“, mahnte der Minister. „Krieg verhindern kann nur der, der sich darauf vorbereitet.“
Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat sich skeptisch zu Forderungen geäußert, das „Sondervermögen“ für die Bundeswehr deutlich aufzustocken. „Wir werden durch eine Stärkung unserer wirtschaftlichen Dynamik erreichen müssen, dass es uns leichter fällt, in den nächsten Jahren mehr Geld für Verteidigungsaufwendungen zu mobilisieren”, sagte der FDP-Politiker am 13. Februar bei einem Besuch in Dublin.
Eine dauerhafte Finanzierung der Landes- und Bündnisverteidigung sei „absolut möglich”, so Lindner, wenn die Wirtschaft wieder auf die Erfolgsspur komme und man sich mit dem aktuellen Ausgabenlevel auch einmal zufriedengebe. Der Finanzminister warnte zugleich: Zusätzliche dauerhafte strukturelle Ausgaben im Haushalt könnten die Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels erschweren.
Zu den Verteidigungsausgaben kommt noch die Hilfe für die Ukraine hinzu. Für die militärische Unterstützung des Landes hat Deutschland 2024 rund 7,1 Milliarden Euro und 6 Milliarden Euro als Verpflichtungsermächtigungen für die Folgejahre bereitgestellt. Insgesamt hat Deutschland für die militärische Unterstützung der Ukraine mittlerweile Leistungen und Mittel sowie Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von rund 28 Milliarden Euro erbracht. Damit sei Deutschland der zweitgrößte militärische Unterstützer der Ukraine, hinter den USA.
Der russische Überfall auf die Ukraine vor knapp zwei Jahren hat sich in erheblichem Maße auf die Konjunktur in Deutschland ausgewirkt. „Die wirtschaftlichen Kosten für Deutschland nach zwei Jahren Ukraine-Krieg dürften deutlich höher liegen als 200 Milliarden Euro“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, der „Rheinischen Post“. Grund sind demnach insbesondere die gestiegenen Energiepreise.
„Vor allem die hohen Energiekosten haben das Wachstum in Deutschland im Jahr 2022 um 2,5 Prozentpunkte oder 100 Milliarden Euro und im Jahr 2023 bis heute um eine ähnliche Größenordnung nochmals reduziert“, sagte der DIW-Chef. Dabei handele es sich jedoch nur um die „direkten finanziellen Kosten“. Weitere Kosten würden durch die wegen des Krieges „eskalierenden geopolitischen und geoökonomischen Konflikte, vor allem mit China“, entstehen. Diese würden besonders Exportunternehmen hart treffen.
Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna
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