Kölner Teleskop in Chiles Wüste:Die Entstehung der Sterne verstehen
von Christoph Röckerath
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Mitten in der Atacama-Wüste Chiles wollen deutsche Forscher tief in die Vergangenheit des Universums blicken - auf der höchstgelegenen Baustelle der Welt.
Mitten in der Atacama-Wüste in Chile errichten Kölner Forscher ein hochmodernes Teleskop, das erstmals tiefe Einblicke in die Entstehung von Sternen und Galaxien im Universum ermöglichen soll.
Quelle: dpa
Das Ziel liegt auf 5.600 Metern über dem Meeresspiegel, auf einem Berg in der Atacama-Wüste in Chile. Dort, auf der höchstgelegenen Baustelle der Welt, entsteht ein Teleskop der Universität zu Köln.
So weit oben verbrennt die Sonne in Minuten die Haut. Die Luft ist so dünn und trocken, dass Menschen und Maschinen an ihre Grenzen kommen. Aber genau das ist der Grund, warum sie alle hier sind, sagt Astrophysiker Ronan Higgins.
In der Atacama-Wüste in Chile baut die Universität zu Köln ein riesiges Hightech-Teleskop auf 5.600 Metern Höhe. Das Ziel: Mit dem Teleskop bis zum Urknall zurückblicken.04.05.2025 | 1:27 min
Je höher wir gehen, desto weniger schluckt die Erdatmosphäre das Signal aus dem All, das wir beobachten.
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Ronan Higgins, Astrophysiker am Physikalischen Institut I / Universität Köln
"Wir befinden uns hier an der Grenze des machbaren, und der Vorteil ist, dass wir hier hochfahren können. Es gibt höhere Berge, aber dort kann man nicht mit diesen Lastwagen hochfahren", so Higgins.
Entstehung von Sternen und Galaxien verstehen
Wenn es in einigen Monaten fertig ist, wird das "Fred Young Submillimeter Telescope" Beobachtungen im Bereich der kurzen Radiowellen, also jenseits des sichtbaren Lichts, ermöglichen. Es kann schwächste Signale empfangen, die seit Milliarden Jahren unterwegs sind und erlaubt so, tief in die Vergangenheit des Universums zu schauen. Vor allem, um die Entstehung von Sternen und Galaxien besser zu verstehen.
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"Eine große Frage ist, warum die Rate der Entstehung von Sternen immer wieder schwankt. Warum ist sie nicht gleichmäßig?", sagt Ronan Higgins.
Wenn wir das verstehen, könnten wir verstehen, wie sich das Universum weiterentwickelt. Momentan erleben wir einen Rückgang der bei der Entstehung neuer Sterne.
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Ronan Higgins, Astrophysiker am Physikalischen Institut I / Universität Köln
Erdacht wurde das Teleskop maßgeblich an der Universität zu Köln, in Zusammenarbeit mit weiteren Forschungseinrichtungen in Deutschland, den USA und Kanada. Federführend beim Bau war eine Firma aus Duisburg, CPI Vertex Antennentechnik, deren hochpräzisen Instrumente auf der ganzen Welt zu finden sind, auch bei anderen Teleskopen in der Atacama-Wüste.
Technologie trifft auf Staub und Schnee
Ingenieur Sven Kümmel ist aus Duisburg angereist, um die letzte Phase des Baus zu begleiten. Auch wenn er schon viele Projekte dieser Art betreut hat - der Bau des Kölner Teleskops ist auch für ihn etwas Besonderes.
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"Es ist eigentlich ein totaler Widerspruch: Zum einen haben wir ein Hochpräzisions-Teleskop, zum anderen haben wir hier Dreck, Staub, Wind, Schnee und Eis. Das ist eine Herausforderung", sagt Kümmel.
Wenn das Observatorium später eine bahnbrechende Entdeckung machen sollte, dann ist es ein Wahnsinn sagen zu können, man war ein Teil davon.
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Sven Kümmel, Ingenieur
Forschung an den Grenzen der Physik
Das hängt auch vom Herzstück des Teleskops ab, einem Spiegel aus Aluminiumpanelen und Kohlefaser, mit sechs Metern Durchmesser, den die Duisburger gemeinsam mit einer niederländischen Firma konstruiert haben. Ein Instrument dessen Genauigkeit an die Grenzen der Physik gehe, sagt Astrophysiker Higgins.
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Wir sprechen hier von einer Toleranz von zehn Micron über den gesamten Spiegel. Ein menschliches Haar hat einen Durchmesser
von ungefähr 80 Micron. Es handelt sich um einen sechs Meter Spiegel mit einer Genauigkeit, die einem Zehntel der Breite eines Haares entspricht.
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Ronan Higgins, Astrophysiker am Physikalischen Institut I / Universität Köln
Hoch oben in der Atacamawüste in Chile wird somit auch am Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Deutschland gebaut. Auch, weil es kleiner ist als manch andere Projekte. So würden die Studenten an der Uni Köln selbst die Empfänger bauen und helfen, den komplexen Spiegel auszurichten, sagt Higgins. "Es ist diese Art von Erfahrung, die die nächste Generation von Wissenschaftlern formt und die diese dann weitergeben können."
In Chile stehen hochmoderne Teleskope, dort herrschen perfekte Bedingungen für Astronomen. Ein Bauprojekt könnte diese nun verschlechtern. Europäische Astronomen sind entsetzt.
Franziska Deubel, Rio de Janeiro
mit Video
In der Astronomie geht es am Ende um die großen Fragen unseres Seins, und auch deshalb ist Grundlagenforschung ist für viele Menschen abstrakt. Gerade in Zeiten populistischer Politik und knapper Kassen wird der Druck für viele Wissenschaftler größer, weiß auch Ronan Higgins und kontert: Zahlreiche Technologien von heute seien als Nebenprodukte astronomischer Forschung entstanden. Darunter das Internet, WLAN-Technik, Digitalkameras und Handyantennen. Es ginge also stets um mehr als "nur" den Blick in die Sterne.
Christoph Röckerath ist Südamerika-Korrespondent und Leiter des ZDF-Studios Rio de Janeiro.