Ist die Begegnung mit den Stätten des UNESCO-Weltkulturerbes ein Anlass, Weltgeschichte neu zu erzählen?
Meine Historikerkarriere habe ich als Deutschland-Experte begonnen und mich dann in die Geschichte des gesamten europäischen Raumes eingearbeitet. Von dort aus in die Weltgeschichte zu gehen, all die Vernetzungen zu erkennen und sie in sein historisches Denken zu integrieren, ist noch einmal ein ganz anderer Schritt. Wenn man aber Orte wie Persepolis im Iran, das Mausoleum des Herrschers Humayun in Indien oder die Tempel von Angkor Wat in Kambodscha erlebt, spürt man sehr stark, wie eng verbunden bei allen Unterschieden die Kulturen miteinander sind.
All diese Orte sind Orte der Verbindung, der "Crossroads". Wo Macht war, gab es auch Austausch, und auf diese Weise haben all diese Kulturen sich immer höher entwickelt, nicht unbedingt aus sich selbst heraus. Wettbewerb und Einflüsse aus anderen Kulturen waren entscheidend. Die meisten Weltkulturerbestätten der UNESCO, die wir besucht haben, spiegeln das wider. Das war auch für mich eine interessante Erkenntnis. In der "Welten-Saga" zeigen wir spektakuläre Bilder, aber wir erzählen auch immer die spannende Geschichte der jeweiligen Orte – mit vielen überraschenden Details.
Ändert die Auszeichnung zum Weltkulturerbe die Lage der Menschen vor Ort?
Ihre Umgebung ist natürlich stark durch die Stätten geprägt, sie sind oftmals ihr Leben. Das wird durch die Auszeichnung noch unterstrichen – auf vielfältige Weise: Fast überall sind diese Menschen sehr stolz auf das Erbe, das sie mit der Welt teilen, und allein der Tourismus verschafft ihnen in der Regel auch ein Auskommen. Wobei die UNESCO darauf achtet, dass der Tourismus nicht überhand nimmt und dass das Thema Nachhaltigkeit beachtet wird. Das ist natürlich manchmal eine Gratwanderung.
Auch das immaterielle Kulturerbe, das auf der UNESCO-Liste steht, ist für die Menschen vor Ort wichtig. Uralte Traditionen, die sonst dem Untergang geweiht wären, werden dadurch bewahrt und oft weiter verbreitet. Das Hilali-Epos in Ägypten zum Beispiel, eine musikalische Erzählung über die Wanderschaft eines Beduinenstammes, wird nur noch von ganz wenigen Familien aufgeführt. Aber der Status als UNESCO-Weltkulturerbe sorgt dafür, dass es erhalten bleibt – auch für künftige Generationen.
Das gilt auch für bestimmte Speisen mit uralter Tradition wie die Mole-Sauce in Mexiko. Auch sie wird nicht so schnell verschwinden. Der UNESCO-Status schafft eine gewisse Verpflichtung. Für die Menschen selbst, aber auch für staatliche Institutionen, die so etwas fördern sollten.
Ist das auch für die Identität der Menschen wichtig?
Natürlich. Das haben wir in Mexiko besonders stark gespürt. Dort ist die nationale Identität nicht einfach gegeben. Aber über die gemeinsame Geschichte entsteht sie eben. Und das wiederum spüren die Menschen hautnah an den herausragenden Stätten, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt werden. Ein anderes Beispiel ist Angkor Wat in Kambodscha, das dem Verfall preisgegeben war, bevor es den Status bekam. Und inzwischen identifizieren sich die Erben des stolzen Khmer-Volkes wieder mit diesem Ort. Oder nehmen wir die Massai, die wir in Kenia besucht haben.
Ihre Riten – zum Beispiel die Initiation der jungen Krieger – sind unglaublich beeindruckend, und sie wollen auch gegen Widerstände daran festhalten. Denn das ist ein ganz wichtiger Teil ihres Lebens, eben ihrer Identität. Sie haben in Kenia keine Lobby, aber sie haben den UNESCO-Status des immateriellen Kulturerbes. Das gibt ihnen eine gewisse Rückendeckung und hilft, diese Tradition zu bewahren. Wenn man so etwas erlebt wie bei den Massai, merkt man, dass es nicht die Menschen sind, die eine Kultur machen, sondern es geht tiefer. Die Kultur fließt durch die Menschen und ist für uns alle etwas sehr Wertvolles.
Es gibt in manchen Ländern Politiker, die die UNESCO nicht mögen, weil sie glauben, dass sie Einfluss auf die Souveränität der Staaten nimmt. Was würden Sie solchen Politikern antworten?
Sie sollten froh sein, dass die UNESCO nicht nur Bezugspunkte für die nationale Identität schafft, sondern dass durch die Weltkulturerbestätten auch immer wieder klar wird, wie verbunden einzelne Länder mit viel größeren Kulturräumen sind. Die Maya-Stätte von Palenque in Mexiko zum Beispiel hat tiefe Wurzeln in ganz anderen Gegenden von Mittelamerika. Die übernationalen Kulturlandschaften werden in ihrer Bedeutung klar. Und gerade das kann auch gegen Nationalismus helfen.
Aber wir haben ja auch Naturerbestätten besucht, die natürlich unter ständiger Beobachtung durch die UNESCO stehen und an denen man das schnelle Fortschreiten des Klimawandels deutlich sehen kann. Auch das wird vielen Politikern in bestimmten Ländern nicht passen. Im UNESCO-Biosphärenreservat Amboseli wird der Boden immer salzhaltiger, weil der Schnee auf dem nahe gelegenen Kilimandscharo erschreckend schnell schmilzt und das so entstehende Wasser von unten Salz in den Boden drückt. Das vernichtet Teile der Vegetation; die Tierwelt leidet. Auch auf den Galápagos-Inseln, diesem Naturwunder, haben wir Probleme gesehen.
Was würden Sie der UNESCO nach Ihren Reisen zu rund vierzig Welterbestätten raten? Sollte sie sich lieber ganz der Pflege des bestehenden Erbes widmen oder den Status weiter vergeben? Der Andrang ist ja groß – viele wollen den begehrten Status haben …
Natürlich muss das bestehende Welterbe betreut und ständig beobachtet werden – was die UNESCO auch tut. Das ist sehr aufwendig. Die Kriterien sind streng, und man kann den Status schnell verlieren. Das ist auch ein gewisses Druckmittel. Aber es ist gut so. Und die UNESCO sollte unbedingt weitermachen. In einer immer zersplitterteren Welt ist es wichtig, Orte zu haben, die unser gemeinsames Erbe feiern, die an das Gemeinsame am Menschsein erinnern.
Indem wir solche Orte haben und betreten, kommen wir aus unserer kleinen, begrenzten Zeitzelle heraus, und größere Zusammenhänge werden uns klar. Wir dürfen dort durch große Zeitlandschaften wandern, die uns mit anderen Ideen und Menschen zusammenbringen. Genau das wollen wir mit der "Welten-Saga" auch den Zuschauern und Zuschauerinnen bieten. Sie können sich mit uns auf eine große Reise durch viele Kulturen begeben und wahre Schätze des Planeten entdecken, die unser aller Erbe sind.